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Silbergrasfluren auf Graudünen und im Binnenland
Das Silbergras (Corynephorus canescens, Foto: Grasbüschel) kann bis zu 15 cm ungewöhnlich tief in den Boden eindringen. Dadurch ist es in der Lage lockeren Sand zu besiedeln und sich zu halten, auch wenn es einmal stürmt und/oder zu kleineren Umlagerungen kommt. Es besiedelt quasi als Pionier neu entstandene, pflanzenfreie Sandflächen und trägt dadurch auch zu Befestigung von mobilen Dünen bei.
Das Silbergras prägt daher diesen Biotoptyp, der durch große Temperaturextrema, geringe Wasserspeicherkapazität und durch Nährstoff- und Humusarmut gekennzeichnete Böden charakterisieren ist. Die Sonneneinstrahlung kann ebenfalls extrem sein. Die lückigen Sandmagerrasen sind als Pionierstandorte zu bezeichnen. Vor der Besiedlung durch die Pionierarten der Sandrasen sind die Binnendünenstandorte meist gänzlich vegetationsfrei. Das lockere Substrat wird durch den Wind oft umgelagert, bis es durch zunehmende Vegetationsbedeckung zur Festlegung des Sandes kommt. Langfristig schließt sich die Pflanzendecke ganz und dieser Lebensraum geht in einen Waldlebensraum über. Die Nutzung durch den Menschen - nicht selten als Weidefläche für Schafe - hat zum Erhalt der Lebensräume bis in heutige Zeiten geführt, allerdings ist ihre Ausdehnung - verglichen mit ihrer früheren Anteilen - deutlich zurück gegangen. Binnendünen stellen in vielen küstenfernen Bundesländern deshalb eine Besonderheit dar.
Silbergrasfluren können auf Graudünen der Küsten angetroffen werden. Auch im Binnenland - weit entfernt von Nord- und Ostsee - gibt es Sanddünen, auf denen sich in lückigen Bücheln Silbergras (Corynephorus canescens) und Sand-Straußgras (Agrostis vinealis) angesiedelt haben.
Entstanden sind diese Lebensräume dort vor langer Zeit als Sandverwehungen nach den Eiszeiten. Ihre aktuelle Erscheinung verdanken sie aber dem Einfluss des Menschen. Unter den extremen Wachstumsbedingungen bilden Binnendünen mit Silbergras und Sand-Straußgras einen lückige Rasen - sogenannte Sandtrockenrasen.
Neben den genanten Grasarten findet man weitere Pflanzenarten, welche ähnliche Ansprüche an ihren Lebensraum stellen: Sand-Segge (Carex arenaria), Zwerg-Filzkraut (Filago minima), Acker-Hornkraut (Cerastium arvense) oder z.B. das auf dem Foto zu sehende Berg-Sandglöckchen (Jasione montana, violett). Auch seltene Moos- und Flechtenarten wachsen in diesem Lebensraum.
Bedeutend sind Binnendünen mit offenen Grasflächen für die Tierwelt. Unter den Insekten sind insbesondere Hautflüglerarten wie verschiedene Wildbienen und Grabwespenarten, Heuschreckenarten und Käferarten genannt. Außerdem auch zahlreiche Spinnenarten.
Verbreitung
Silbergrasfluren kommen sowohl auf Graudünen der Küsten, als auch im Binnenland vor.
Die Schwerpunkte der offenen Binnendünen liegen im nordwest- und nordostdeutschen Tiefland. Im Osten Deutschlands liegt die Hauptverbreitung in den großen Stromtälern wie im Elbe-Mulde-Tiefland sowie in den Sandgebieten des Brandenburgischen Heide- und Seengebiets und der Mecklenburgischen Seenplatte. In Rheinland-Pfalz sind Binnendünen sind durch Sandverwehungen in der Oberrheinebene und dem Rhein-Main-Tiefland entstanden. In Bayern liegen Schwerpunkte in den Naturräumen Fränkische Keuper-Liasland und Unterbayerischen Hügelland sowie Odenwald, Spessart, Südrhön und Mainfränkische Platten. In Sachsen liegen Verbreitungsschwerpunkt in den Naturräumen des nordsächsischen Pleistozängebietes Muskauer Heide, Königsbrück-Ruhlander Heiden, Düben-Dahlener Heide, Elsterwerda-Herzberger Elsterniederung und Oberlausitzer Heide- und Teichgebiet.
Natura 2000 Lebensraumtyp
Dieser Biotoptyp ist ein europaweit besonders geschützter Lebensraum! Natura 2000 - Code: 2330
"Binnendünen mit Silbergras" sind ein eigenständiger Lebensraumtyp, der auf Anhang I der FFH-Richtlinie gelistet ist.
Man bezieht sich aber ausdrücklich auf Standorte im Binnenland, die Vorkommen an der Küste sind nicht eingeschlossen (also auch nicht auf der Karte dargestellt).
© Verbreitungskarte. Quelle: BfN/BMUB 2019: Nationaler Bericht Deutschlands nach Art. 17 FFH-Richtlinie; basierend auf Daten der Länder und des Bundes. Datengrundlage: Verbreitungsdaten der Bundesländer und des BfN.
Gefährdung
Hauptgefährdungsursachen der offenen Binnendünen mit lückiger Vegetation sind Nutzungsaufgabe und dadurch Weiterentwicklung hin zu Wäldern, Aufforstung (meist mit Kiefer, da diese dort noch wachsen kann) und Nährstoffeintrag. Ggf. kann auch noch eine unmittelbare Gefährdung durch Sandnutzung (Abgrabung) entstehen. Nur bei extremen Standortsbedingungen (Windeinfluß, sehr arme Sande) ist keine Pflege der offenen Binnendünen erforderlich. Bei nährstoffreicheren oder feinerdereichen Sanden ist eine mäßig intensive Schafbeweidung, alternativ gelegentliches Brennen oder Plaggen (nur kleinflächig möglich) erforderlich, um der natürlichen Entwicklung entgegenzuwirken. Ein Problem stellt dabei der menschenbedingte Nährstoffeintrag über die Luft dar, welcher den Bioden düngt und dadurch zu verstärktem Zuwachsen der Bestände führt.
Besonderheiten
Am Ende der Eiszeiten sah die Landschaft bei uns ähnlich baumlos und mit lückiger Pflanzendecke aus, wie heute in der Tundra. In dieser Zeit sind Binnendünen durch Anwehungen von Sanden entstanden. Durch Beweidung und die damit einhergehende Trittbelastung hat es immer wieder freigelegten Sandflächen gegeben, die wiederum neu von Pflanzen besiedelt werden konnte. Im Mittelater wurden durch Übernutzung auch ganz neue Sandflächen freigelegt welche bis dahin bereits zugewachsen waren. Dies ist wichtig zu wissen, wenn man die zukünftige Entwicklung dieses Lebensraumes vor Augen hat: ohne entsprechende Nutzung kann der Lebensraum nicht erhalten werden. Dazu gehören insbesondere "Störungen" der Pflanzendecke. Nicht zuletzt deshalb finden sich heute große Sandmagerrasenflächen noch auf Truppenübungsplätzen, da dort regelmäßig "Störungen" auftraten. Das muss man auch deshalb betonen, weil die Aufgabe von Truppenübungsplätzen auch zum Verlsut dieses Lebensraumes führen kann, wenn man keine Gegenmaßnahmen ergreift.
Tagfalter in diesem Lebensraum
Fliegen in diesem Lebensraum
Amphibien & Reptilien in diesem Lebensraum
Säugetiere in diesem Lebensraum
Heuschrecken in diesem Lebensraum
Wanzen in diesem Lebensraum
Referenzlisten: